Manfred Theisen liest in der Fredericks-Woche am APG

Er ist Politologe, Journalist, erfolgreicher Autor, und seine Lesungen sind höchst informative und dabei packend-unterhaltsame Begegnungen mit Literatur: Manfred Theisen. Near-Future-Novels, eine Unterkategorie der Science Fiction, gehören zu den – äußerst vielfältigen – literarischen Genres, die er bedient. „Der Chip“, ein Jugendroman mit brisanter Thematik, versetzt Theisens Zuhörerinnen und Zuhörer in die Metropole Berlin, in ein Geschehen, das in naher Zukunft spielt. Handlungsraum ist ein Internat, und damit ist der Bogen zur Lebensrealität der Schülerinnen und Schüler geschlagen.

Kim, die 15-jährige Protagonistin des Romans, besucht das umstrittene Elite-Internat „Galileo“ in Berlin. Implantierte Chips und Kameras übermitteln die Hirntätigkeit und Körperdaten aller Schüler an eine KI namens Brain. Weil der Erfolg der Betreiberfirma Brain-Vision rechtgibt – alle Schüler sind dank der regulierenden Funktion von Brain ausnahmslos Musterschüler – sind Presse und Politiker, die der Schule kritisch gegenüberstanden, verstummt. Auch Kim steht voll und ganz hinter dem System, bis eines Tages das Unfassbare geschieht: Ein Schüler kommt zu Tode, und Kim beginnt das System zu hinterfragen…

Mit konzentrierter Aufmerksamkeit verfolgen die Sechstklässlerinnen und Sechstklässler die Lesung, die eher einer interaktiven Veranstaltung gleicht. Unkonventionell, zum Teil salopp und gleichzeitig mit hoher Informationsdichte gestaltet Theisen sein Thema. Mit seiner Lesung verbindet er verschiedene Zielsetzungen. Selbst intensiver und versiert-professioneller Nutzer digitaler Technologie, will er den Blick schärfen für ihre Ambivalenz und – ganz in Übereinstimmung mit dem Medienkonzept des Auguste-Pattberg-Gymnasium – werben für einen mündigen Umgang mit den neuen Medien:  Am Gymnasium in Mosbach-Neckarelz versteht man Medienbildung nämlich als dauerhaften, pädagogisch strukturierten Prozess der konstruktiven und kritischen Auseinandersetzung mit der Medienwelt. Sachgerecht, selbstbestimmt und verantwortungsbewusst sollen die Schülerinnen und Schüler in der Medienwelt agieren. Das entspricht ganz der Haltung Theisens:

Im diskursiven Austausch mit seinen Zuhörerinnen und Zuhörern entlarvt der renommierte Autor manipulative Strategien der großen Internet-Firmen und plädiert für eigenständige, freie und individuelle Entscheidungen. Darüber hinaus richtet er immer wieder einen vergleichenden Blick in andere Länder. In Shanghai ist Überwachung mit Hilfe digitaler Technologien bereits Realität: Kameras und Richtmikrofone zeichnen das Verhalten der Bürger auf – eine beunruhigende Vorstellung, die deutlich vor Augen führt, dass auf die künftigen Generationen die hohe Verantwortung zukommt, durch einen mündigen und reflektierten Umgang mit den digitalen Möglichkeiten unsere freiheitlich-demokratische Grundordnung vor diesen Entwicklungen zu bewahren. 

Claudia Schmidt